Essen-Marathon aus Anfängersicht
Frage: wie wird man mit mit 61 zum Ersttäter auf der Marathondistanz? Antwort: durch
Passtschon98!
Obwohl ich nie auf der Viehweide war, habe ich durch Marko den einen oder anderen
Weizenbierfan kennengelernt. Und so kommt es, dass einige Passtschoner, bewusst oder
unbewusst, meinen ersten Marathon mit vorbereitet und durchgezogen haben. Eric gab mir den
Tipp Essen-Marathon, Frank setzte mir den Floh ins Ohr, gleich beim ersten unter 4 Stunden
laufen zu wollen, Marko gab mir permanent Ratschläge, was ich zu tun und zu lassen habe:
Ernährung, Trinken, Training, Zeitplan, etc. und schließlich ist Stefan die ganzen 42,2
km neben mir her gelaufen und hat mir für jeden Kilometer die aktuellen Kilometerzeiten
genannt. Vielen Dank!
Die Vorgeschichte
Angefangen hat alles letzten Herbst beim Bier mit Marko: "Willst Du nicht beim
Nikolaus-Duathlon mitmachen? Das schaffste mit links, Radfahrn kannste und die 2x 2,5 km
Laufen schaffste auch und eh sind nur wenige in Deiner Altersklasse dabei!"... und so
habe ich mich überreden lassen - ich hatte ja noch 14 Tage Zeit, um zum ersten Mal in
meinem Leben 15 Minuten am Stück zu laufen. Die zwei Trainingsläufe haben ganz schön in
den Waden gezwickt, aber letztendlich ging alles gut und es hat Spaß gemacht.
Der Entschluss
Nach dem Winter fing ich dann gelegentlich an mal eine halbe Stunde zu laufen. Und wieder
kam Marko: "Willste nicht mal nen Marathon probieren?"
Zuerst wies ich alles von mir, aber die Idee ließ mich nicht mehr los, und im April war
ich dann soweit: "OK, ich laufe Marathon, Herbst oder nächstes Frühjahr"
Also: regelmäßig laufen, 3x die Woche, 5km, 7km, alles ging super! Wieder kam Marko:
" Du brauchst spezielle Laufschuhe, führst Du eigentlich ein Lauftagebuch?" Ich
bekam alles zurück, was ich ihm in seiner Schulzeit angetan hatte!
Die Vorbereitung
Aber immer noch war der Marathon in weiter Ferne und nicht richtig real. Ich lernte
Begriffe wie G1, G2, Überpronation, VO2 max... und hatte meine ersten Einträge im
Lauftagebuch : 28. Mai / 7km / 0:42 Std.; 30. Mai / 14 km / 1:31. Alles lief wie
geschmiert.
Ende Juni meldete ich mich für Essen an; ich hatte Blut geleckt. Jetzt musste ein
Trainingsplan her, Wettkämpfe planen (M: "Einen 10er und einen Halbmarathon brauchst
Du mindestens"). Mitte Juli war ich schon bei meinem ersten langen Lauf mit 27 km in
3 Stunden. Ende Juli 10km Wettkampf in 51:40 - planmäßig.
Doch dann kamen die Zweifel! Anfang August, oh jeh, die Achillessehne schmerzt, jeder
Schritt tut weh, wann soll ich meine restlichen 4 langen Läufe machen? Der August war
zudem noch richtig heiß - nicht mein Ding.
Beim Zuschauen beim Ironman-Frankfurt lernte ich Stefan kennen - eine wichtige Begegnung,
wie sich noch zeigen sollte. Stefan hatte sich auch für Essen angemeldet: " Na, dann
sehen wir uns ja im Oktober wieder!"
Mit Markos Eistherapie und vom Arzt empfohlenen Fersenkeilen bekam ich die Achillessehne
bis Anfang September so langsam wieder in Griff. Hurra, ich konnte wieder schmerzfrei
laufen!
Überhaupt hatte ich vieles falsch eingeschätzt. Mittlerweile glaube ich, dass jeder für
sich selbst rausfinden muss, wo seine Schwachstellen sind. Mit gut 1,80m Körpergröße
bei knapp 70kg und 40 Jahren aktivem Sport, hatte ich keinerlei Konditionsprobleme, ich
hatte nicht ein einziges Mal Luftmangel oder einen Wadenkrampf. Was ich unterschätzt
habe, waren meine Fußgelenke. Ich musste lernen auf erste Anzeichen zu achten und dann
etwas anders aufzutreten, Straßenneigung (linker ,rechter Rand) auszunutzen zur
Unterstützung des Fußes. Auch mussten die langen Läufe zeitlich geplant werden. Zum
Schluss rennt die Zeit davon, da mein Trainingsplan für die letzten 2 Wochen nur noch
Schongang vorsah.
Aber auch das hat geklappt. Schließlich am 15. September Generalprobe: Hugenottenlauf -
Halbmarathon, 1:47:40. Für mich eine Superzeit und weit unter Plan von 2 Std. Hier habe
ich Stefan wieder getroffen, der mir anbot, in Essen mit mir zu laufen, als er merkte,
dass ich alleine lief. Ich war mir nicht so sicher, ob ich das annehmen konnte/ sollte.
Marko und einige Freunde von Blau-Gelb waren auch im Ziel und taten so, als wäre ich
Weltrekord gelaufen. Ich nahm das mit gemischten Gefühlen auf, da ich ja deren Zeiten
kenne! Trotzdem hat es mich gefreut, als mich Frank abends von einer Party aus anrief und
mir vorrechnete, dass ich mit den Laufergebnissen um 3:50 Marathon laufen könnte, weit
unter meinen hochfliegenden Plänen von 4 - 4 1/2 Stunden! Ich kenne Frank, und weiß,
dass er vom Laufen was versteht. Und so saß der nächste Pfeil.
Ich mailte also Stefan an und fragte, ob er das mit dem 'zusammen laufen' wirklich ernst
gemeint hatte - und nahm dankend an. Denn unter 4 Std., mal so per Zufall, beim ersten
Mal, das schien mir doch zu riskant.
Und dann kam der Schnupfen, eine Woche vor dem Start! Bei Schnupfen bin ich todkrank.
Alles umsonst??
Ich überwand glücklich meinen Schnupfen bis Donnerstag, lief noch 2mal ca. 20 Min., um
den Muskeln zu zeigen, dass da was kommt und erwartete den Sonntag mit Spannung, Hoffnung
und ein bisschen Angst, ob mich die Erkältung nicht doch zurückgeworfen hatte.
Der Lauf
Über den Marathonlauf selbst und die Atmosphäre hat Stefan alles wichtige gesagt! Dem
möchte ich nichts hinzufügen. Ich kann Essen uneingeschränkt empfehlen!
Ich war gut vorbereitet, war sogar im August schon 2 Runden um den Baldeneysee gelaufen.
Ich kannte die Strecke und wusste, wenn ich das 2te mal über die Kampmannbrücke (ca. km
32) bin, ist das Ding gelaufen. Merkwürdigerweise hatte ich zu keiner Zeit Angst vor der
so viel beschriebenen Wand jenseits der 30 km. Bei allen langen Läufen hatte ich die
letzten km immer schneller als die ersten geübt. Ich weiß mittlerweile, dass ich schwer
anlaufe, mitten einen leichten Hänger habe und zum Schluss nur noch das Ziel im Auge
habe.
So war auch unser Plan. Die ersten 5 km in 28:40, dann gleich bleiben und auf den letzten
10 km unter die 4 Stunden kommen.
Zu meiner Freude hat das auch geklappt. Allerdings, alleine hätte ich es nicht so zu
meiner Zufriedenheit geschafft! Ich hatte zwar an meiner (Markos) Stoppuhr die geplanten
Zwischenzeiten für alle 5 km aufgeklebt, aber es war unwahrscheinlich wichtig, dass ich
jeweils von Stefan die 1km - Zeiten erfuhr. 5km ist doch ein relativ langer Abschnitt und
dann schwer zu korrigieren. Da ist schnell mal eine Minute weg. Mein Zeitvergleich
gelaufen/ geplant ergab, dass wir immer -und zwar zunehmend- unserem Plan voraus waren.
Und ich fühlte mich besser als bei den letzten langen Läufen. Die letzten 7 Kilometer
waren in der Tat die schwersten, aber auch mit einem Schnitt von 5:27 Min. die
schnellsten!
Nachdem wir die Zug-/Bremsläufer für unter 4 Std. zunächst davon laufen ließen und unserem
Zeitplan vertrauten, holten wir den 4er Pulk nach ca. 13 km ein und gingen ganz langsam
auf der Hauptsteigung der Strecke vorbei. Das hat richtig Spaß gemacht - und es war auch
die einzige Stelle, an der mich Stefan warnte : nicht zu schnell!
Danach kam der lange Pflicht-/Mittelteil mit erstaunlich konstantem Tempo, ich konnte es
fast nicht glauben. Schließlich die letzten 7km: wir wussten wir haben 5 Minuten
Vorsprung und liegen selbst mit einem 6er Schnitt noch unter 4 Std. Es gab somit kein
Risiko mehr! Nur noch laufen, so schnell wie möglich. Jedes Zuschauerklatschen war
natürlich für uns ganz alleine (wenigstens in meiner gewollten Wahrnehmung), und jeder
'eingesammelte' Läufer war eine zusätzliche Motivation. Da mussten wir einfach schneller
werden, sonst wären wir ja nicht vorbeigekommen.
Schließlich, nach 3:52:57 Std. liefen wir gemeinsam -mit einem kleinen Schubs von Stefan-
über die Ziellinie. Danke Stefan!
Epilog
Nach dem Rennen, habe ich dann doch meine Waden gespürt. Viel Auslaufen war nicht mehr.
Leider kein Weizenbier im Ziel! Dafür tat die heiße Dusche ausgesprochen gut.
Ich habe es jetzt richtig schwer: zwar habe ich den Leihchip für eventuelle weitere
Gelegenheiten behalten, ich weiß nach diesem Lauf aber nicht, was ich verbessern könnte!
Dieser Marathon war für mich ein sportliches Topereignis und wird den Maßstab für
Folgeereignisse bilden!
Ich kann es immer noch nicht fassen, dass alles so glatt ging!
Jürgen Strott