Ironman Hawaii 2004

Ab nach Hause...

Pre Race:

Abflug Frankfurt am 07.10.04, Ankunft in Kona, Big Island, Hawaii am 09.10.04. Der Flieger, der Flughafen in Hawaii, alles voll mit Triathleten, hier und da bekannte Gesichter. Am Flughafen hängt ein Banner mit " Welcome to Ironman Worldchampionchips Hawaii 2004"

In Kona selbst dreht sich alles um den Ironman. Überall Souvenirs, T-Shirts mit dem Ironman ® Logo, man denkt, hier gibt es nur noch Triathleten. Als erstes nehme ich die erdrückende Hitze war; 40° C und mehr, dazu über 90% Luftfeuchtigkeit. Anders ausgedrückt: Sobald Du Dein Hotelzimmer verlässt, brauchst Du ein neues T-Shirt. Es ist sofort alles nass. So eine Hitze gibt es bei uns nicht im wärmsten Sommer; und hier soll ich 180 km Radeln und einen Marathon laufen (das Schwimmen findet hier – Gott sei dank im Wasser statt)??? No way!

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Blick vom Hotel auf die Bucht von Kona, im Hintergrund der Schwimmstart

So weit meine ersten Ausdrücke "vom Paradies". Es ist ja schon skurril: Für die überwiegende Mehrheit der Triathleten (auch für mich) ist es der ultimative Traum, auf Hawaii starten zu dürfen, und jetzt, da ich mein Ziel erreicht habe, wünschte ich, ich müsste mir dies alles nicht antun. Zumindest bekomme ich eine Vorahnung, dass alles hart, sehr hart werden wird. Vielleicht härter, als alles, was ich bisher in Sachen Triathlon erlebt habe.

Die nächsten Tage versuche ich mich zu akklimatisieren, fahre locker Rad und laufe etwas. Morgens wird am Schwimmstart geschwommen… sehen und gesehen werden, wir treffen aber auch viele Bekannte. Das Schwimmen ist ein Superding. Kristallklares Wasser, unzählige Fische, Korallen und alles bei 27° C. Wer Glück hat, schwimmt mit Delfinen und Schildkröten. Leider habe ich beim Schwimmtraining keine dieser Tiere gesehen; es war dennoch traumhaft.

Das Radeln und Laufen ist hart, diese Hitze, diese Schwüle, ich habe das Gefühl, die macht mich platt. Weiterhin 40° C, der Wind ist stark und heiß, es gibt in den Lavafeldern keine Kühlung. Im Hotelzimmer wird die Klimaanlage ausgeschaltet, zwecks Akklimatisation. Ich habe den Eindruck, nach 3-4 Tagen gewöhnt sich der Körper etwas an dieses Klima. Dennoch steht mir bei der geringsten Bewegung der Schweiß im Gesicht. Auf dem Rad ist ungefähr so, als würdest Du in Deinem aufgeheizten Wohnzimmer Dich auf der Rolle abschinden und Dir dazu von einem guten Freund einen Föhn mit max. Leistung ins Gesicht halten lassen. Das alles bei tropischer Sonne.

Mit Michael, ein Vereinskollege vom MTV Kronberg, laufe ich zum Kennenlernen das "Natural Energy Laboratorium", kurz "Energy Lab". Das ist der heißeste Abschnitt der Laufstrecke, etwa 6,5 km lang, kein Wind, dafür Sonne pur. Der Teil liegt auf der 2. Hälfte der Wettkampfstrecke, sehr wellig und die Sonne steht voll drauf, wie in einem Grill. Für die 6,5 km brauche ich 2 Flaschen Wasser und eine Dusche auf halber Strecke! Gelaufen wurde im 5 er Schnitt, nicht gerade schnell. Ab jetzt beschließe ich, mir über das Laufen keine Gedanken mehr zu machen, Hauptsache, ich komme durch, egal wie.

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Michael (re.) und ich beim Training

 

Pasta Party:

Die Pasta Party oder Henkersmahlzeit kostet für nicht Rennteilnehmer 42 US Dollar, zu teuer finden wir. Andrea und Elke (Michaels Frau) bleiben fern, während Michael und ich mit skeptischen Gefühlen hingehen. Die Kohle ist das Essen sicherlich nicht wert, die Amis können sich selbst dazu wunderbar feiern. So stehen z.B. die Triathlon Altmeister Dave Scott und Mike Allen auf der Bühne (beide 5 Siege in Hawaii und mehr) und lassen sich für ein Kopf an Kopf Rennen von 1989 feiern. Bei allem Respekt, das ist 15 Jahre her und das Leben geht weiter- auch beim Triathlon, sogar beim Ironman Hawaii!

Dennoch hat mich eine Sache wirklich berührt, die ich kurz versuche zu schildern: Vielleicht ist es eine der ergreifendsten Augenblicke unseres Aufenthaltes auf Hawaii. Zu Beginn der Veranstaltung stand ein grauhaariger älterer Mann mit gelbem Gewand auf der Bühne Ich denke, es war ein hawaiianischer Häuptling o.ä. Er hat sich leider nicht vorgestellt. Als er anfängt zu Reden, ist mit einem Schlag Stille auf dem Gelände. Von über 2000 Anwesenden hielt jeder inne und schwieg (das war weder davor, noch danach jemals wieder der Fall). Dieser alte Mann auf der Bühne hatte eine ungeheure Ausstrahlung. Nicht was er sagte, sondern WIE er es sagte, war fesselnd. Zunächst spricht er in akzentfreiem Englisch zu uns, spricht u.a. darüber, dass wir Athleten unzählige Leiden und Entbehrungen auf uns nehmen mussten, um hier in Hawaii zu sein. Nun sollen wir den folgenden Wettkampf genießen und mit der Stärke, mit der wir es schafften nach Hawaii zu gelangen, den Wettkampf bestehen. Dann bittet er uns, aufzustehen und die Hand unseres Nachbarn zu greifen. Schließlich stehen über 2000 Menschen schweigend vor den Tischen, Hand in Hand. Keiner (ich achte zufällig drauf), keiner sagt ein Wort, alle gehen in sich, schauen stumm vor sich. Der alte Mann beginnt, ein Gebet auf hawaiianisch zu sprechen, leider habe ich keine Ahnung, was er sagt, aber die Stimmung ist einmalig. Zum Abschluss, daran erinnere ich mich noch, sagt er, es gäbe ein hawaiianisches Wort, "Imoa" das bedeutet so viel, wie "moving forward", "always moving forward". Wenn wir Probleme auf der Strecke kriegen würden (woher hat er das nur geahnt???) sollten wir daran denken, und leise "Imoa" sagen, es würde uns helfen.

Race Day:

Der Wecker klingelt um 3:45 Uhr, ich begebe mich zum Frühstücken. Ich laufe mit Michael rüber zum Startgelände. Es ist 5:00 Uhr morgens, grelle Flutlichtscheinwerfer erhellen die pechschwarze Nacht, alles voller Menschen. Zunächst müssen wir zum "Body – Marking". Die Startnummer wird auf beide Oberarme mit dickem Edding geschrieben. Danach gehen wir zu unseren Rädern, langsam wird es hell. Wir bringen Proviant an, kontrollieren den Luftdruck, letzter Check, alles passt. Mit Elke und Andrea haben wir uns um 6:00 Uhr vor dem Race – Hotel verabredet. Wir finden uns problemlos, tauschen letzte Worte aus und begeben uns gegen 6:30 zum Schwimmstart. Ich verliere Michael im Gewühl, konzentriere mich jetzt auf mich und springe in den Pazifik.

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Kurz vor dem Start…

Die Profis starten eine viertel Stunde vor uns um 6:45 Uhr. Ich schaue mir den Start an, fange danach an, zur Startlinie vorzuschwimmen. Dort herrscht dichtes Gedränge, obwohl ich mich schon ganz außen aufhalte. Neos sind verboten, sämtliche Tritte und Schläge sind ungedämpft. Was soll`s, ganz abdrängen lassen möchte ich mich auch nicht. Jetzt fange auch ich an, taktisch meine Ellebogen und Füße einzusetzen, ab und zu wird der Hintermann kurz angepöbelt, so versuchen wir uns alle zu behaupten, in den Minuten unmittelbar vor dem Start. So ganz nebenbei versuche ich, immer wieder daran zu denken, dass ich mir gerade einen Traum erfülle (während ich meinem Nachbarn in die Hüfte boxe). "Und egal was passiert, versuche es zu genießen, finishen ist die Hauptsache, die Zeit ist nebensächlich. Du bist in Hawaii, das Mekka des Triathlons, vergleichbar mit der Tour de France bei den Rennradlern oder Wimbledon bei den Tennisspielern. Du bist dabei…" So träume ich vor mich hin, bis ich einen kräftigen Tritt von hinten kriege, zum Gegenangriff bleibt keine Zeit, der Startschuss fällt in diesem Moment.

 

3,9 km Swim:

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Kona, unmittelbar vor dem Start

 

Ich lasse es locker angehen, ich ahne, dass es ein langer, sehr langer Tag werden könnte. Schnell finde ich ein paar Beine, an die ich mich dranhänge. Der Kurs besteht aus einer großen Runde. Erst geht`s knapp 2 km raus, am Wendepunkt steht ein großer Katamaran, nach dessen Umrundung geht es wieder zum Ufer. Die See ist ruhig, keine großen Wellen. Nach 1:09h beende ich das Schwimmen.

180 km Bike:

Auch hier müssen wir eine große Runde absolvieren. Ab Kona geht es raus durch die Lavafelder nach Hawi und anschließend wieder zurück.

Anfangs ist es nur heiß, dann wird es auch noch sehr windig, fast immer Gegenwind. Ab 100 km bekomme ich Probleme mit der Ernährung. Das Gatorade vertrage ich nicht mehr, Essen, egal was, geht auch nicht mehr. Brechreiz...

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Das Martyrium beginnt…

Ich sehne mich nach Cola, leider vergeblich. Der Wind dreht und bläst wieder von vorne, jetzt wird mir auch noch übel. Essen und Trinken unmöglich, die Sonne knallt von oben runter,

40° C und mehr... meine Haut verbrennt, was mache ich hier eigentlich??? Meine Speicher entleeren sich völlig, ich fange an, Schlangenlinien zu fahren mir ist jetzt alles egal, nix geht mehr. Das ich nicht vom Bock falle, ist ein Wunder. 2 km vor der Wechselzone muss ich mich übergeben, dann geht`s weiter. Nach endloser (6:30h) Fahrzeit komme ich vom Rad...

Durch die Wechselzone laufe ich wie in Trance, spätestens jetzt hätte man mich aus dem Rennen nehmen müssen. Irgendwie kriege ich den Wechsel auf die Reihe, setze mich in Richtung Laufstrecke wieder in Bewegung, mehr schwankend als gehend, aber immerhin ist eine Richtung deutlich zu erkennen.

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Wer bin ich? Was bin ich? Wo bin ich?

42 km Run:

Als ich mich auf die Laufstrecke begebe, muss ich mich noch 3mal übergeben, dann ist der Magen endlich leer und gibt Ruhe. Nach einem etwa 3,5 km langen Spaziergang verschwinden meine Kopfschmerzen und meine Übelkeit, ich habe wieder essen und trinken können, jetzt will ich das Ding finishen, egal wie, Imoa!

Ich nehme wieder Tempo auf, das laufen geht jetzt wieder richtig gut, ich überhole pausenlos, werde immer schneller, bis ich mich auf einen Schnitt zwischen 5:00 und 4:30 min/km gefühlsmäßig eingependelt habe. Die Laufstrecke geht zunächst in Kona den Alii Drive 8km raus und wieder zurück. Hier stehen überall Leute und feuern uns enthusiastisch an. Den langsamen sprechen sie Mut zu, die schnellen werden hochgelobt, jeder Teilnehmer wird hier als Held gefeiert. Die Zuschauer tragen uns regelrecht über die Laufstrecke. Jede Meile (1,6 km) kommt ein Verpflegungspunkt mit Eis, Getränken und Essen. Als Kühlung stopfe ich mir jedes Mal Eiswürfel unter die Kappe und ins Trikot vorne rein, schütte mir Wasser über, trinke Cola, Wasser und versuche bei jeder dritten Versorgung etwas zu essen, alles, ohne Tempo zu verlieren. Meine Taktik funktioniert. Ich sammele weiterhin einen nach dem andern auf, die Sonne verschwindet etwas hinter den Wolken, es wird endlich etwas kühler. Die Strecke geht nun einen Berg hoch, raus aus Kona, auf den Highway in die Lavafelder, zum Energylab und danach wieder zurück.

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Wieder zurück im Rennen!

Beim Herauslaufen aus dem Energylab will mir jemand ernsthaft einen Leuchtstab in die Hand drücken, da es langsam dunkel wird. Nein, nix, Daylightfinish habe ich mir schon vorgenommen! Ich verliere den Leuchtstab "zufällig". Das gleiche Spielchen passiert mir noch dreimal, bis es dann wirklich dunkel ist. Den 5. Leuchtstab behalte ich schließlich. Die letzten 5 km laufe ich im Dunkeln.

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Wo bitte ist die Sonne???

 

Als ich in das Örtchen Kona hineinlaufe, stehen die Zuschauer wieder da. Erst wenige, dann werden es immer mehr und mehr. Mit den Zuschauern sind auch die pausenlosen Anfeuerungen wieder da. Jeder am Straßenrand ruft uns Läufern etwas zu. Da ist es wieder, das Getragenwerden, das Fliegen auf einer Wolke. Als ich die Pallani Road runterlaufe (ein relativ steiler Berg), sehe ich eine Menschenmenge auf der Laufstrecke. Bei näherem hinsehen erkenne ich mitten drin einen der Rollstuhlfahrer im Rennen, der sich den Hügel hinauf bemüht, ganz langsam, Umdrehung pro Umdrehung quält er sich die Straße hoch, die Menschenmenge geht mit, feuert ihn bei jeder Umdrehung rhythmisch an, bis er es geschafft hat.

Die Zuschauermenge wird immer dichter, bis zum Zieleinlauf drängen sich links und rechts von den Absperrungen die Leute, rufen, strecken uns Hände entgegen, es ist der helle Wahnsinn.

Zieleinlauf

Michael gab mir den Tipp, den Zieleinlauf zu genießen und möglichst dafür zu sorgen, dass Keiner unmittelbar vor- oder hinter mir ist. Diesen Rat befolge ich, nehme wirklich bewusst Tempo raus, winke in die Menschenmenge und genieße das Bad in vollen Zügen, bleibe vor dem Ziel kurz stehen, strecke die Hände hoch, freue mich endlos und überquere schließlich langsam die Ziellinie. Von Müdigkeit keine Spur. Ich bin völlig high.

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Doch noch unter 12 Stunden!!!

Im Ziel steht Andrea und wartet auf mich. Zusammen gehen wir die Medallie abholen, essen und trinken etwas (leider ist die Zielversorgung nicht gerade üppig, aber das wussten wir bereits).

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Nach getaner Arbeit…

Anschließend checken wir das Rad aus und gehen zum Hotel. Nach einer Dusche und einem Abendessen gehen wir zurück zur Finish Line Party, um die Letzten reinzubringen. Um Punkt 0:00 Uhr ist die Party vorbei, ein phantastischer Tag ist vorüber.

Fazit

Meine Erwartungen vor der Reise waren aus verschiedenen Gründen eher gedämpft. Zwar konnte ich zuvor gut Trainieren, meine Form war ganz Ok. Der Ironman selbst ist jedoch sehr kommerziell, alles hier ist sehr teuer und die Amerikaner feiern sich am liebsten selbst; so weit meine Vorurteile. Umso schöner ist es, angenehm überrascht zu werden. Das Publikum ist weltklasse, das Preisniveau ist hoch, aber man kommt zurecht. Für mich war es jeden Cent wert! Natürlich wurmt mich mein Einbruch auf dem Rad etwas. Eine halbe Stunde weniger wäre realistisch möglich gewesen, denke ich. Dafür war aber das Laufen wieder zufriedenstellend. Darüberhinaus musste fast Jeder den Bedingungen Tribut zollen. Viele Derjenigen, die das Radfahren gut überstanden hatten, erlebten beim Laufen ihr Waterloo. Wir hatten diesmal mit 11% die höchste Drop out Quote seit das Rennen 1978 erstmals stattfand. Bei den Profis stiegen sogar 25% aus. Die Hitze, die Schwüle und der unglaubliche Wind ging an keinem spurlos vorüber.

Das war mit Sicherheit nicht meine beste Zeit bei einem Ironman aber das emotionalste Ding was ich jemals erlebt habe. Ich war am absoluten Nullpunkt, habe mich wieder aufgerafft und gefinisht. Das macht den Sport aus. Danke Allen, die mir dabei geholfen haben, danke Andrea für Deine Geduld und unermüdliche Unterstützung, sorry, dass Du diesmal so lange auf mich warten musstest… J

Ja und natürlich habe ich hier noch eine Rechnung offen. Sollte ich hier wieder an den Start gehen, habe ich das Ziel, ohne Einbruch das Rennen zu finishen. Das alles natürlich bei Tageslicht!

So long, see you again some day… Hawai`i!

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made by Marko ®, im Oktober 2004