Ironman Germany 2002

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Vor dem Start:

4:00 Uhr morgens, mein Radiowecker geht an, ich bin schlagartig wach. Habe vor lauter Nervosität (und Krach in der über mir liegenden Wohnung) kaum geschlafen, mehr gedöst.

Endlich, endlich ist der Tag da, auf den ich 8 Monate hingearbeitet habe.

8 Monate der Entbehrungen und Opfer für meine Familie. Manche Nachbarn haben mich schon gefragt, ob meine 2 Kinder inzwischen Onkel zu mir sagen.

Nix wie rein in die Rennklamotten, kurzes Frühstück mit Eiern, Toast und süßen Stückchen, bevor es dann um 4:45 Uhr ab geht nach Frankfurt, wo ich in unmittelbarer Nähe vom Ziel dieses langen Tages einen Parkplatz finde.

Der Bus zum See kommt im Moment da ich in die Berliner Strasse einbiege an und ich muss den ersten Sprint des Tages einlegen.

Puh, geschafft. Immerhin schon ein Teilerfolg J

Leider ist es so voll das ich stehen muss und die Luft ist stickig. Da wird einem ganz schwumerig, wenn mann nicht eh schon weiche Knie vor Angst hat.

Chaos auf der Anfahrt zum See. 15000 Zuschauer ? wer hat die denn aus dem Bett geholt.

Anstatt uns rauszulassen, fährt dieser "Busfahrer" im Schneckentempo bis zum Parkplatz Sehring. Blick auf die Uhr, 6:00 Uhr, au Backe, jetzt wird’s eng.

Ich habe noch 1,2 Km zu gehen, muß meine Riegel noch an das Rad kleben, Luft auf die Reifen pumpen, Toilette gehen, Neo anziehen u.s.w.

Als ich an der Wechselzone ankomme werde ich erst mal darauf aufmerksam gemacht das ich da ohne Startnummer auf dem Arm nicht reinkomme. Mist, schon wieder ein unvorhergesehener Zeitfaktor. Zu allem Überfluss haut mir unser "Beerchen" Andreas mit seiner Riesenpranke zur Begrüßung so auf die Schulter, das ich das Gefühl habe mir fällt der Arm ab. Keine Zeit für Begrüßungsarien, ich habe hier einen Job zu erledigen und der heißt Ironman.

 

6:50 Uhr: alles erledigt. Dachte ich. Als ich richtung See laufe sehe ich einen LKW in den die weißen Kleiderbeutel verladen werden. Scheiße, meiner liegt im Wäschekorb am Rad. Also zurück. Inzwischen kommt eine Ansage, das der Start um 5-10 Minuten verschoben wird, da der Andrang zu groß ist. Gott sei Dank, dachte schon ich muß hinterherschwimmen.

 

Der Start, Schwimmen:

7:08 Uhr: Der Startschuß fällt, unmittelbar nachdem hinter uns die Sonne glutrot aufgegeangen ist. Was für ein wahnsinnig schönes Bild.

Ich ziehe kräftig durch und orientiere mich direkt an der ersten Boje, die ich links passieren muß. Bloß keine unnötigen Umwege schwimmen, bin eh nicht der schnellste mit meinem 3-er Zug, dafür aber sehr ökonomisch was den Kraftverbrauch und die Schwimmrichtung angeht.

Nach 1100 m die erste Wende nach Rechts um eine Badeinsel. Jetzt wird’s ernst. Das hauen und stechen beginnt. Erst bekomme ich einen Tritt auf die Brille, etwas später testet einer die Standfestigkeit meiner Nase an, Autsch. Es kann teilweise nur noch Brust geschwommen werden, weil sich alles staut. Es geht so weiter bis zum ersten Schwimmausstig. 34 Minuten, kurzer Landgang von 30 Metern, Badekappe und Brille richten und weiter geht’s auf die 2 Runde, die unspektakulär verläuft.

Schwimmausstieg nach 1:12:12 h, das ist nicht schlecht denke ich mir, aber etwas langsamer wie erwartet. Mit einem schnellen Wechsel, reduziere ich den Rückstand in meinen Zeitplan auf 1 Minute. Nach 1:16 h geht’s aufs Rad und wie der Wind Richtung Frankfurt.

 

Der Radsplit:

Geplant war eigentlich, sich langsam reinzufahren und erst mal zu schauen wie es läuft, aber das ist hier kein Kindergeburtstag und ich lasse mich von der Euforie der anderen Teilnehmer anstecken. Nach 12 Km schalte ich meinen Tacho auf Durchschnittsgeschwindigkeit um und denke mich trifft der Schlag. Da stehen 40 KM/h Schnitt. Viel zu schnell. Jetzt aber mal die Bälle flach halten und einen Gang runterschalten.

Ich pendle mich so bei 35-36 Km/h ein und es rollt gut. Ein Teilnehmer nach dem anderen wird überholt. Immer mal kurz Grüßen und ein paar freundliche Worte, wenn man einen Vereinskammeraden trifft (Hallo Claudia, siehst gut aus, hey Michi du lahmer Sack, quäl dich mal ein bisschen J ).

Nach der ersten Radrunde zeigt der Tacho einen 36 KM/h Schnitt an. Leider geht’s mir da schon nich mehr wirklich gut, da ich wohl die vielen Elektrolytgetränke vor und während des Wettkamps nicht vertragen habe. Seit Km 70 Quälen mich Darmkrämpfe und ich habe das Gefühl mal dringend aufs Klo zu müssen. Leider keine Toilette weit und breit zu sehen.

Bei Kilometer 106 stehen Markos Vater und Stefan mit meiner Verpflegung ( Warme Nudelsuppe, Brötchen und Bananen) . Vielen Dank dafür. Ich verschlinge erst mal alles gierig und bekomme noch die Info das Marko 14 Minuten vor mir liegt. Ich denk so bei mir, entweder hatte der einen Außenborder am Neo oder der fährt hier das Rennen seines Lebens. Ich bin ja auch nicht gerade langsam unterwegs.

Nach 120 Km habe ich den ersten Tiefpunkt. Der Magen Krapft jetzt ständig und die Beine werden immer schwerer. Immer wieder in den Oberlenker um zu entspannen. Ich kämfe mich bis Burgholzhausen durch. Hier ab Km 150 läuft es wieder besser und ich kann die Stimmung bei der 2. Steigung am Vilbeler Berg richtig genießen. Da fliegen einem schier die Ohren weg. Wahnsinn ! An der Friedberger Warte bekomme ich von Uwe die Ansage, das Marko 20 Minuten vor mir liegt. Mist denke ich, das Ding ist gelaufen, den kriegst du nicht mehr. Das letzte Stück durch Frankfurt geht wie im Flug vorbei. Endzeit 5:18:08, das habe ich nicht mal in meien kühnsten Träumen erwartet. Schneller als die Radzeiten von Marko in Roth 2001/2002.

 

Der Marathon:

Hier folgt ein schneller Wechsel in 1:33´Minuten, nachdem ich mir beim Vorbeifahren nach der ersten Radrunde schon die Position meiner Klamotten eingeprägt hatte und die Helfer so freundlich sind meinen Krempel wieder in den Sack zu packen.

Mein erster Weg führt mich auf eines der vielen Dixi Klos an der Strecke. Man das ist ein Gefühl wie Weihnachten und Neujahr auf einen Tag. Die Zeit kommt einem zwar endlos vor, aber beim Blick auf die Uhr merke ich, das ich nur ca. 1 Minute verloren habe.

Zu meinem Erschrecken muss ich auch feststellen, das ich viel zu schnell unterwegs bin.

Km 1 in 4:12", Km 5 immer noch in 4:18", Km6 in 4:15",4:20,4:22,4:20 .

Nach 9 Km steht Stefan am Wegesrand und schreit mir zu das ich viel zu schnell bin, die vor mir laufenden würden umfallen wie die Fliegen. Ich haue sofort die Bremse rein und versuche mein Tempo zu kontrollieren. Die Durchgangszeit bei 10 Km ist 44 Minuten und das trotz Dixi Pit-stop, Oh man.

Das Tempo pendelt sich bei angenehmen 4:30"-4:40" ein, wenn nur nicht dieser verdammte Hohlbeinsteg den Schnitt jedesmal um 30-40 Sekunden runterziehen würde.

Inzwischen bin ich Marko 2 mal begegnet und habe gesehen, das er weit,weit weg ist und das er auch noch ziemlich flott läuft. Na ja denke ich mir, so ein Marathon ist lang und "hat sisch immer eischene Gesetze".

Die 2 . Runde läuft sich wie von selbst . Bei der Gerbermühle (ca. Km20) kommt mir Marko wieder entgegen, dieses mal schon viel näher. Das muß wohl auch der Zeitpunkt gewesen sein, an dem ich an Alex vorbeiging, der nach eigenen Angaben auf dem Klo sass und eine halbe Stunde Vorsprung mit auf den Marathon genommen hatte (Radzeit 4:56 h !!).

Bei Km 22 kriege ich von Ant die Ansage, das ich nur noch 12 Minuten Rückstand habe.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich 8:17 h auf der Uhr und realisierte so langsam, das ich noch eine Zeit unter 10 Stunden im Bereich meiner Möglichkeiten hatte. 20 Km in 1:43 h, Kinderspiel, wenn die Beine nicht langsam anfangen würden weh zu tun und mich mein Darm nicht gerade zum 2. Besuch auf einer Dixitoilette aufgefordert hätte.

Die Krämpfe ließen dann zwar nach, aber meine Laufgeschwindigkeit auch so langsam. Die hatte sich nach der 2. Runde bei ca. 4:45"-4:50" eingependelt.

Bei Kilometer 31 auf der Sachsenhäuser Seite bekomme ich dann die Ansage, das Marko nur noch 5 Minuten vor mir ist. Das scheint wie eine Initialzündung zu sein. In dem Momment weiß ich , das da noch was geht. Auf ein mal laufe ich die Kilometer wieder in 4:39" und es tut auch nichts mehr weh .

Inzwischen ernähre ich mich nur noch von Wasser und Cola, das ich mir abwechseld in den Hals und über den Kopf schütte um der mörderischen Hitze zu entgehen. Was anderes verträgt mein Mage-Darmtrakt eh nicht mehr. Die Anfeuerungen der Passtschon98 Truppe und der freiwilligen Helfer vom PSV erleichtern mir dies letzten und härtesten Kilometer ungemein. Ich habe auch versucht auf jedes aufmunternde Wort mit einem Lächeln oder einem lockeren Spruch zu reagieren. Beim Vorbeilaufen brüllen die Mädels vom PSV Blau-Gelb Frankfurt jedesmal lauthals PSV, da dies ja groß auf meinem Hinterkopf in die strohblondgefärbten Haare geschrieben steht. Bisschen Werbung in eigener Sache und Spass muss ja trotz der Anstrengung auch sein.

Bei Km 37 ist es dann so weit. Kuz vorm Eisernen Steg bekomme ich die Ansage: Nur noch 20 Sekunden Rückstand und kaum das ich unter der Brücke durch bin taucht Marko vor mir auf., just in dem Moment als Detlef Peuthert uns beide auf der Gegenseite passiert. "Auf geht’s Detlef" rufe ich. In dem Augenblick dreht sich Marko nach links zu mir um und feuert mich an. Ich würge irgendwas wie "tut mir leid, aber ich will noch unter 10 Stunden bleiben" raus und ziehe an ihm vorbei, in der Hoffnung, das ihn diese Vorstellung auch noch puscht.

3 Km später währen wir wahrscheinlich zusammen weiter richtung Ziel gelaufen, das nun immer näher kommt.

Die letzten Kilometer werden die härtesten und gleichzeitig schönsten meines Lebens. Bei Km 40 bin ich stehend KO, wage aber nicht auch nur einen Meter zu gehen. Die Oberschenkel sind jetzt völlig verkrampft. Marko kommt mir ein letztes mal entgegen. Wir feuern uns noch mal halbherzig an. Er ist genauso tot wie ich.

Als ich am Römer um die Ecke biege und auf den blauen Tepich in dieses Menschenmeer laufe, sind auf ein mal alle Strapazen vergessen. Es ist wie ein Traum. Hunderte von Händen strecken sich einem entgegen. Ich klatsche sie ab so weit es geht. Freunde und Unbekannte brüllen meinen Namen und winken mir zu.

Und dann sehe ich das Ziel vor mir mit der Endzeit auf der Anzeige und reisse spontan beide Arme mit geballten Fäusten in die Höhe. In einem Urschrei entlädt sich die ganze Anspannung als ich durch das Ziel-Tor laufe und ich falle auf die Knie um erst mal das harte Pflaster zu Küssen, das mir an diesem Tag so viele Schmerzen bereitet hat.

 

9:55:23,9 und Platz 167.

Ich konnte es kaum glauben. Das hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Später sehe ich , das ich trotz meiner massiven Darmbeschwerden noch eine 3:19:25 h auf dem Marathon gelaufen bin, was an diesem Tag , bei über 30 °C wohl eine unglaubliche Zeit war.

Nachdem ich meine Medaille in Empfang genommen und erst mal was getrunken hatte kam Marko mit 3:25" Rückstand ins Ziel. Ich freute mich riesig das er auch noch unter 10 Stunden geblieben war und wir vielen uns erst mal in die Arme. Ich glaube, wir waren beide den Tränen nah.

Anschließend wurde dann im "Athlets Garden" noch ausgiebig geduscht, massiert, gegessen und vor allem frisch gezapptes Hefeweizen getrunken.

Als Fazit würde ich sagen, das dies ein unvergessliches Erlebniss war, das nicht so schnell getoppt werden kann.

Mein Dank gilt vor allem den vielen Supportern und Fans, die diesen Tag zu einem solch großartigen Erlebniss gemacht haben.

Herzlichst, euer Frank.

 made by Frank ®, im August 2002