Mein Weg zum Ironman (von Jürgen Strott)

Ab nach Hause...

Die Vorbereitung

Im Juni 2006, nach meiner ersten Halbdistanz, kommt mir der Gedanke... ich könnte auch eine Langdistanz schaffen. Ende Juli melde ich mich dann in Frankfurt an. Damals wusste ich allerdings nicht, was alles noch auf mich zukommen sollte.

Seit Dezember 2006 schreibt mir Marko Woche für Woche Trainingspläne und ich halte sie auch ein. Dreimal die Woche gehe ich schwimmen (meine schwächste Disziplin), fahre entweder auf der Rolle oder ab März auf der Straße Rad und laufe wöchentlich bis zu 100 km. Alles in allem kommen so bis zum 1.7.07 (Raceday) ca. 150 km (75 Stunden) im Schwimmbad, 5000 Radkilometer (200 Stunden) und 1500 km ( knapp 150 Stunden) auf der Laufstrecke zusammen, insgesamt also ca. 425 Stunden ohne die ½ Stunde Gymnastik, die ich täglich mache.

Dazu gehören im Januar, Februar und Anfang März Laufwettkämpfe zwischen 10km und Halbmarathon, im März ein zweiwöchiges Trainingslager sowie im April und Mai ein Duathlon, ein Triathlon-Sprint und eine Triathlon-Halbdistanz. Letztere wird wegen widriger Wetterumstände zu meinem Leidwesen zum Duathlon umfunktioniert.

Ich fühle mich topfit, was auch meine Wettkampfergebnisse bestätigen. Allerdings werde ich auch zunehmend nervöser, zumal wegen des warmen Wetters eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass nicht mit Neo geschwommen werden darf, und meine Schwimmleistungen immer noch mehr als bescheiden sind.

Ich bleibe während der ganzen Vorbereitungszeit weitgehend verletzungsfrei. Doch dann kommt eine gute Woche vor dem Wettkampf der unvermeidliche Rückschlag. Ich lasse nach dem Schwimmen im Waldsee zu lange die nasse Badehose an und verkühle mir den Unterleib. Als Folge muss ich Antibiotika einnehmen und kann in der letzten Woche der Tapering-Phase nicht mehr schwimmen.

Ansonsten fühle ich mich aber wohl und habe die Hoffnung auf einen guten Wettkampf.

Der Wettkampf beginnt fast schon am Donnerstag mit der Abholung der Wettkampfunterlagen, am Freitag ist Wettkampfbesprechung und am Samstag werden Fahrrad, Helm, Rad- und Laufutensilien abgegeben. Bei all diesen Gelegenheiten trifft man alle möglichen Sportskameraden, und es werden eine Menge Tipps und Tricks zu Ernährung und Radequipment ausgetauscht, sprich, es wird geschwätzt. So ein Ironman füllt Einen schon aus..

 

Raceday

Was ich hier berichten kann, sieht bei allen über 2000 Starten zunächst sicher ähnlich aus: Um 3 Uhr schellt der Wecker, aufstehen, ein ausgiebiges Frühstück einnehmen und um vier Uhr aus dem Haus.

Leena fährt mich zum Rebstockgelände, von wo aus ich mit dem Shuttlebus zum Langener Waldsee will. Der ortsunkundige Busfahrer wird von einem Polizeimotorrad eskortiert. Das Motorrad hat zu meiner Verwunderung ein Aachener Kennzeichen, und prompt machen die wenigen Mitfahrer eine eher unfreiwillige Sightseeingtour durch Langen – Mörfelden – Walldorf, bis wir endlich den Waldsee finden und dort auch noch Probleme mit der Einfahrt haben.

Endlich angekommen werden nach der Überprüfung des Fahrrads Energieriegel auf den Rahmen geklebt, die Trinkflaschen aufgesteckt und die Radklamotten für einen möglichst schnellen Wechsel zu recht gelegt. Marko und Andrea sind am Start und übernehmen meine Luftpumpe und meine Schuhe.

Dann geht’s zum Schwimmstart. Etwas Einschwimmen und auf die Sekunde genau um 7 Uhr erfolgt der Startschuss. Über 2000 Schwimmer prügeln sich um den richtigen und besten Kurs. Meine Schwimmzeit habe ich mit etwa 1:35 Std. geplant. Deswegen halte ich mich im Hintergrund und weg vom Mainstream. Diese Entscheidung ist richtig, ich beziehe wenigstens keine Prügel und verliere auch nicht meine Schwimmbrille. Ich fühle mich eigentlich wohl und glaube auch nicht zu langsam zu sein. Nach 2300 m erfolgt ein kurzer Landgang und dann noch mal 1500 m. Das Wasser hat nur 19 C, und nach dem Landgang sind die ersten 100 m schwer, ich finde meinen Rhythmus nicht richtig. Auch fangen bei mir jetzt immer wieder Krämpfe in den Beinen an. Ich habe zwar gelernt, dass sich mit zwei, drei Brustbeinschlägen der beginnende Krampf ausschütteln lässt, aber angenehm ist es beileibe nicht.

Nach knapp 1 ¾ Std. komme ich wieder an Land... und, oh Wunder, ich bin bei weitem nicht der Letzte der aus dem Wasser kommt. (Vielleicht entschädigt das etwas meine Schwimmtrainer für Ihre Mühe mit mir.) Meine Gedanken sind auf das Erklimmen des Hügels zur Wechselzone und auf den Wechsel selbst fokussiert. Ich höre zwar eine Menge allgemeiner Anfeuerungsrufe aber nicht, dass Andrea und Marko mich an der Absperrung anschreien.

Mit Maximalpuls erreiche ich mein Fahrrad, Neo aus, Tria-Zweiteiler und Radlerhose und –trikot darüber, ein Gel reingequetscht, Strümpfe und Radschuhe an, Brille und Helm auf und ab geht’s.

 

Jetzt beginnt die Radstrecke, 12 km Richtung Innenstadt, flache Strecke, wenig Wind. Obwohl ich mit Puls 120 (für mich auf dem Rad schon relativ viel) fahre, komme ich doch nicht so richtig vorwärts, ich hätte gedacht ich fahre die Strecke schneller als meine 32/33 km/Std. In Bergen-Enkheim, an meiner privaten Versorgungsstelle, wo Lisa und Leena auf mich warten, bin ich etwa 15 Minuten hinter meinem Plan. Dies beunruhigt mich noch nicht, es sind ja erst 24 der 180km vorbei, und der Rückstand resultiert im wesentlichen vom Schwimmen. Bis Friedberg läuft’s eigentlich ganz gut, aber ich merke, dass mein Schnitt – trotz abgesperrter Strecke – kaum höher ist als im Training.

Von Friedberg aus kommt der Wind seitlich von vorne und ich werde immer langsamer. Was mich aber mehr beunruhigt ist, dass mich immer mehr Teilnehmer überholen, d.h. die Anderen kommen mit den Bedingungen besser zu recht als ich. Weiter geht’s, wieder zurück nach Frankfurt und erneut nach Bergen-Enkheim. Dort wechsele ich meine Radflaschen gegen solche mit neuen Füllungen. Mit meiner Maltodextrine-Mischung komme ich gut zu recht, ich habe zu keiner Zeit ein Hungergefühl, und das Zeugs ist gut verträglich.

Die 2. Runde fällt mir jetzt zunehmend schwerer. Mein Kreuz schmerzt, ich muss zeitweise aufrecht Fahren und verliere viel Zeit. Nach 6:47 Std. erreiche ich endlich das Wechselzelt zum Laufen. Ich liege über eine halbe Stunde über meiner Schätzung, aber ich betrachte jede Disziplin als neuen Wettkampf mit neuen Chancen.

 

Laufen ist meine Stärke, rede ich mir ein. Der Wechsel klappt auch sehr gut. Hier hilft mir meine Vorplanung. Dies hat mir im Endeffekt einen Platz in der Altersklasse eingebracht. Der Nächste in meiner Altersklasse war zwar 8 Minuten hinter mir, aber ich war in beiden Wechseln insgesamt 13 Minuten schneller.

Der Marathon selbst beginnt mit dem Gang zur Toilette – es war gerade eine frei und vor dem Laufen ist der richtige Zeitpunkt. Dann geht’s los, zwar zunächst etwas mühsam, aber ich finde bald meinen Rhythmus und kann die erste Runde in geplanten 55 Minuten laufen. Danach jedoch wird auch das Laufen schwerer. Die zweite Runde bin ich im Schnitt 30 s/km langsamer. In der 3. Runde muss ich noch mal 1 Minute/km zusätzlich akzeptieren, und in der letzten Runde muss ich sogar immer wieder zwischendurch Gehpausen einlegen.

Marko ermuntert mich auf jeder Laufrunde und gibt mir Infos über Mitstreiter meiner AK ( der ist nur 2 Minuten vor Dir, den musst Du gleich haben..)

Zwar habe ich immer noch die 4. beste Laufzeit in der Altersklasse und damit 2 Plätze gut gemacht, aber mit 4:45 Std. war ich sicher auch eine halbe Stunde unter meinen theoretischen Möglichkeiten.

Heute allerdings war nicht mehr drin.

Das Finale

Sowohl auf der Rad- als auch auf der Laufstrecke werde ich immer wieder von PSVlern, Passtschonern, Trainingslagerteilnehmern aber auch von ganz ‚normalen’ Freunden und Bekannten und von wildfremden Leuten angefeuert. Teilweise habe ich den Eindruck, die ganze Zuschauerkulisse ist alleine für mich aufmarschiert. Das ist ein ganz tolles Gefühl!

Es ist mein erster Ironman, und ich bin schon glücklich, froh und zufrieden als ich Leena nach 13:28 Std. auf der Zielgeraden ‚Jürgen, Jürgen’ schreien höre. Ich wusste vorweg, dass es kein Spaziergang sein würde, und obwohl ich zwischendrin schon wusste, dass ich langsamer als angenommen sein werde und mir alles weh tat, habe ich zu keiner Zeit an Aufgeben gedacht. Als ich die erste Laufrunde hinter mir hatte, war ich mir sicher, dass – egal was noch kommen sollte- ich vor Zielschluss im Ziel sein werde.

Um 20:28:10,4 ist es dann so weit: Ich bin ein Ironman.

Wenn mich jetzt jemand fragt, wie ich das erreichen konnte, so muss ich sagen, dass es nicht alleine meine Leistung ist. Ohne Markos Trainingspläne und Leenas Rücksichtnahme auf bzw. Anpassung an mein Training hätte ich das nicht erreichen können. Auch die vielen Tipps von Vereinskameraden und Trainern waren ein wichtiger Beitrag auf Meinem Weg zum Ironman.

 made by Jürgen ®, im Juli 2007